Mir liegt eine Unternehmenskultur ohne formale Hierarchien, ohne Chef, am Herzen, auch weil ich denke, dass Unternehmen, die sich demokratisch organisieren, Wichtiges zu unserer Gesellschaft beitragen. Wie bedeutend dieser Beitrag sein kann, ist mir besonders in der herausfordernden Zeit seit Beginn der Pandemie bewusst geworden. 

Was mir darüber hinaus bewusst geworden ist: Ich sollte meine eigene Rolle im Unternehmen noch konsequenter verändern, als es bisher geschehen ist, um den Erfolg des Unternehmens nachhaltig zu sichern und auch anderen Unternehmern ein Beispiel zu geben, wie die Verantwortung für das eigene Unternehmen auch aussehen kann … 

Verantwortlichkeiten ohne Chef

2015 haben wir das Organisationsdesign von Heiler Glas so umgestellt, dass wir drei Ebenen eingeführt haben, die es zu bearbeiten gilt: eine Alltagsebene, eine Struktur- und eine Strategieebene. 

Weil wir mich als formalen Chef und überhaupt Führungskräfte und formale Hierarchien im Betrieb abgeschafft haben, verteilt sich die Verantwortung auf die verschiedenen Ebenen und auf unterschiedliche Organe. 

Ich als Chef werde auf der Alltagsebene nicht mehr gebraucht. Die Belegschaft kommt ohne formale Hierarchie mit der Alltagsebene bestens klar. Sie arbeiten hier eigenverantwortlich und als Team auch besser, als wenn sie „formal geführt“ werden würden. 

Dass ich auf der Alltagsebene nicht mehr gebraucht werde, ermöglicht mir, meine Zeit und Energie auf den beiden anderen Ebenen, also der Strukturebene und der Strategieebene, einzubringen. Gerade auf der strategischen Ebene bin ich als Impulsgeber und treibende Kraft im Team sehr aktiv und treibe die Transformation von Heiler Glas weiter.

Ich denke: Es wäre gut für die Firma und für die Belegschaft, wenn ich mich auch aus diesen Rollen löse und sich das Unternehmen unabhängig von mir weiterentwickeln kann. 

Gesund für die Zukunft des Unternehmens wäre eine Entwicklung möglichst unabhängig von mir als Geschäftsführer und Inhaber. Bis auf meinen Ruhestand will ich nicht warten. Auch im Falle von Krankheit oder Unfall wäre eine solche Unabhängigkeit von meiner Person ein unschätzbarer Vorteil. Und ich will Ihnen auch erklären, warum ich das so sehe. Obwohl ich vorausschicke, dass mich dabei auch noch offene Fragestellungen beschäftigen …

Ohne Chef erwachsen werden

Was bleibt dann noch für mich übrig, wenn sich Heiler Glas von mir als Geschäftsführer und Inhaber emanzipiert? Ist es noch „mein“ Unternehmen? Bin ich abkömmlich? Wie fühlt sich das an als Erbe eines Familienunternehmens? Empfinde ich einen Kontrollverlust und wenn ja, komme ich damit klar? Was ist mit meinem Selbstbild als Unternehmer? Das sind sehr spannende emotionale Aspekte, mit denen ich mich sicherlich noch eine Weile herumschlagen werde. 

Aber ich denke, erst wenn ich mich noch konsequenter als bisher als Chef abschaffe, werde ich meiner Verantwortung als Unternehmer wirklich gerecht.

Solange ich als Macher in Sachen Strategie im Unternehmen aktiv bin, wird sich das Unternehmen nicht von mir emanzipieren. Gerade diese strategischen Aspekte von einer einzigen Person abhängig zu machen, finde ich sehr riskant. Was ist, wenn ich krank werde? Ein Unfall? Oder wenn ich feststelle, ich will „einfach mal weg …“? 

Aktuell wäre das noch so: Wenn ich plötzlich aus dem Betrieb ausscheiden würde, dann entstünde eine große Unsicherheit. Das Tagesgeschäft würde zwar weiterhin gut funktionieren. Unsere Kunden und Lieferanten würden keine Veränderung in unserer Zusammenarbeit feststellen. Aber: Wo geht die Reise mittel- und langfristig hin? Wer übernimmt was? Wer kümmert sich um die Struktur- und Strategiethemen?

Sie können die Entwicklung der Belegschaft eines Unternehmen gut mit der eines Menschen vergleichen: Die Zeiten der formalen Hierarchie ist wie die Kindheit. Sie werden versorgt, für Sie wird vorausgedacht. Sie bekommen gesagt, was zu tun ist. Wenn Sie brav sind, bekommen Sie eine Belohnung. Wenn nicht, gibt es Punktabzug. 

Wenn aber die formale Hierarchie heruntergefahren wird, kommen Sie gewissermaßen in die Pubertät. Sie haben das Gefühl erwachsen zu werden, weil Sie mehr Verantwortung übernehmen. Das fühlt sich toll an, ist aber emotional eine Achterbahnfahrt. Die Kindheit war einfacher …

Aktuell befinden wir uns mit dem Unternehmen am Ende der Pubertät. Und ich finde, die Zeit ist reif, dass der nächste Schritt ins Erwachsenenalter angegangen werden kann … 

Emanzipation vom Chef

Die Belegschaft muss sich von mir als Macher in Sachen Struktur und Strategie emanzipieren und somit mehr Sicherheit für sich selbst und das Unternehmen erlangen. Die Belegschaft wird in diesem Sinn wie ein Erwachsener selbst die Strukturen schaffen, die strategischen Fragen angehen und so für die Weiterentwicklung des Unternehmens sorgen.

Ich sehe es als meine Aufgabe an, meinen Teil dazu beizutragen, die Menschen in unserem Unternehmen mitzunehmen auf diese Reise zum nächsten Level der Eigenständigkeit. Ich bin dann abkömmlich. Ich werde natürlich greifbar bleiben, wenn ich als Mentor, als Katalysator, als Impulsgeber gefragt bin. Wie in einer guten Familie … immer da, um zu unterstützen. Aber dennoch geht Heiler Glas dann auch ohne mich seinen eigenen Weg.

Die Transformation von Heiler Glas ist eine Emanzipationsgeschichte. Und diese ist nicht an ihr Ende gelangt. Um diese Emanzipationsgeschichte in aller Konsequenz fortführen, braucht es von mir als Unternehmer noch einen weiteren Schritt* …

Ihr Stephan Heiler

*Welchen Schritt ich meine, lesen Sie dazu meinen nächsten Blog, der in einem Monat erscheint. Nutzen Sie die Möglichkeit, meinen Blog zu abonnieren …

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