Als ich die Verantwortung für Heiler Glas von meinem Vater übernahm, wusste ich, dass ich bei der Führung unseres Familienunternehmens einen anderen Weg gehen wollte als er.
Ich bin davon überzeugt, dass wir nur erfolgreich wirken und gestalten können, wenn wir unser Denken, Handeln und Fühlen authentisch in unser Unternehmen einbringen – als ganze Persönlichkeit.
Mein Vater hat das Unternehmen nach seinen Grundsätzen aufgebaut und erfolgreich geleitet. Ich bin eine andere Persönlichkeit, wenn ich also Chef werde, muss mein Führungsstil zu meiner Persönlichkeit passen. Für mich Sinn machen.
Ein Leben im Hamsterrad, wie es aus meiner Sicht viele klassische Chefs führen, kam für mich nicht in Frage: sich in seinem Betrieb um „alles“ federführend kümmern, als Erster kommen, als Letzter gehen.
Also beschritt ich einen Weg, der dazu führte, dass ich mich selbst ersetzbar machte und meine Rolle als Chef abschaffte. In der neuen Unternehmenskultur von Heiler Glas braucht es keinen klassischen Chef mehr, welcher die disziplinarische sowie fachliche Oberhand über alles hat.
Auf diese Weise gewann ich nicht nur viel Zeit und viel persönliche Freiheit – ich werde seither auch besser der Verantwortung gegenüber meiner Familie und meinen Mitarbeitenden gerecht.
Eine andere Unternehmenskultur für alle
Wir entwickelten Heiler Glas in den letzten Jahren von einer klassisch hierarchisch geführten Firma zu einer selbstorganisierten, selbstgesteuerten Firma durch die Mitarbeitenden. (mehr dazu lesen Sie hier …). Die Unternehmenskultur wird von der Selbstverantwortung der Mitarbeitenden geprägt, deren Entwicklung erst möglich wurde, als ich mich als Chef zurücknahm. Und was mich stolz macht: Gerade in der Krise bewährt sich diese Unternehmenskultur, die ohne formale Führung auskommt.
Gerade durch meine Entscheidung, die formale Führung abzugeben, kann ich meiner unternehmerischen Verantwortung und Fürsorgepflicht für das Unternehmen nachkommen und ein Arbeitsumfeld schaffen, in welchem jeder authentisch auftreten kann und selbstverantwortlich handelt.
Ich habe wirklich etwas bewegt. Das selbstverantwortliche Zusammenarbeiten der Belegschaft von Heiler Glas stellt mein Familienunternehmen für die Gegenwart und Zukunft viel besser auf, als ich es als Patriarch an der Unternehmensspitze mit einem Team klassischer Führungskräfte je hinbekommen hätte.
Heiler Glas steht heute für eine andere Unternehmenskultur für die ganze Belegschaft. Wir alle – die Mitarbeitenden und auch ich als Geschäftsführer – sehen in unserer Arbeit mehr Sinn. Viele haben sich neue Kompetenzen erarbeitet, haben mitgewirkt bei der Zusammenstellung ihrer Teams, arbeiten nicht nur im, sondern auch regelmäßig am Unternehmen. Den Alltag, das Tagesgeschäft haben unsere Mitarbeitenden gut im Griff. Und das bietet mir ganz neue Möglichkeiten: Ich habe das Hamsterrad tatsächlich verlassen …
Mehr wertvolle Zeit für die Familie und das Leben
Heute habe ich nicht unbedingt mehr Zeit, um mit meiner Familie zusammen zu sein. Ich bin immer noch viel für die und in der Firma unterwegs, kann meine Zeit aber sehr flexibel gestalten und vor allem mich da einbringen, wo ich auch meine Stärken und mein Potential sehe.
Diese Flexibilität ermöglicht mir, mit meinen Kindern mehr Zeit bewusst zu verbringen, eine wesentlich erfülltere Beziehung mit meiner Frau zu führen – und auch regelmäßig mit meiner Band im Proberaum zu rocken.
Ich koche für mein Leben gerne – und ich entwickle mich gerne weiter. Lerne dazu. In den unterschiedlichsten Rollen, in denen ich agiere. Auch als Unternehmer.
Strategische, unternehmerische, philosophische, gesellschaftliche Themen interessieren mich leidenschaftlich. Heute habe ich dafür auch wirklich Zeit – selbst jetzt in der Krise.
Mehr Zeit für strategische Themen
Ich kann mich heute viel intensiver als vor der Transformation der Alois Heiler GmbH den echten unternehmerischen Themen widmen. Somit kann ich auch jetzt in der Corona-Krise für das Unternehmen sinnvoller agieren, als wenn ich ein klassischer Chef wäre.
Als klassischer Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens von der Größe wie Heiler Glas würde ich schon in normalen Zeiten zu mindestens 80 – 90 % im Tagesgeschäft stecken. Ich hätte meine Finger in der Auftragsabwicklung drin, in der Faktura, würde mich ums Reklamationswesen kümmern, den Vertrieb, um die Top-Kunden etc. – und die Krise hätte mich kalt erwischt. Mir als Geschäftsführer würden die ganzen strategischen Themen auf die Füße fallen, die jetzt „nebenher“ auch noch bearbeitet werden müssten.
Darüber hinaus müsste ich als klassischer Geschäftsführer, der gewohnt ist, die persönliche Kontrolle über alle Prozesse und Mitarbeiter zu haben, gerade verzweifeln: „Wie bekomme ich jetzt heraus, ob die im Homeoffice wirklich alle arbeiten oder nicht?“
Mit Kontrolle zum Beispiel muss ich mich aber überhaupt nicht auseinandersetzen. Ich habe im Zuge der Transformation festgestellt, dass mein Vertrauen in die Mitarbeiter zu besseren Ergebnissen führt. Egoisten die versuchen, im Windschatten der Kolleginnen und Kollegen bequem mitzufahren, werden schnell entlarvt. Es gibt eine gesunde Einstellung und vor allem eine starke Eigenverantwortung, auch für die eigene Gesundheit im Team, da muss ich nicht mit Kontrolle und Weisungsbefugnis daherkommen. Insgesamt stelle ich fest: Auch derzeit in der Corona-Krise werde ich im Tagesgeschäft kaum gebraucht.
Nie mehr Hamsterrad
Klar, gehört das zur unternehmerischen Verantwortung dazu, in der Krise fürs Unternehmen da zu sein – auch für mich. Aber die Transformation der Unternehmenskultur hin zum selbstgesteuerten Unternehmen macht nicht nur auf der Mitarbeiterseite das Unternehmen stärker, sondern auch auf der Unternehmerseite:
Ich kann heute viel wirksamer für das Unternehmen agieren – und das fühlt sich für mich persönlich sehr befriedigend, sinnvoll an.
Arbeite ich aktuell in der Corona-Krise auch mehr als zuvor, so bedeutet das deswegen beileibe kein Zurück ins Hamsterrad. Ich kann meiner Leidenschaft für strategische und strukturelle Themen nachgehen. Die Zeit, die dadurch gewonnen ist, dass ich im Tagesgeschäft nicht gebraucht werde, kann ich in wertvolle Themen investieren, ohne dass „andere Sachen hinten runter fallen“. Ich kann mich mit relevanten Zukunftsthemen beschäftigen – und so für Stabilität im Unternehmen sorgen.
Dadurch, dass ich mich selbst als Chef abgeschafft habe, konnten wir bei Heiler Glas eine Unternehmenskultur entwickeln, die es mir ermöglicht, als Unternehmer wirkungsvoller und authentischer zu agieren, und auch andere Unternehmer zu inspirieren – und mich selbst erfüllter, mehr bei mir selbst, zu fühlen.
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Hallo Herr Heiler,
das ist ein toller Artikel und ein wirklich mutiger und sinnvoller Schritt, den Sie gegangen sind. Auch wenn die meisten Unternehmen heutzutage immer noch in der Masse starkt hierarchisch geführt werden, hat Ihre Transformation doch deutlich gezeigt, dass es einen großen Vorteil bringt, verantwortungsbewussten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch wirklich Verantwortung zu übertragen und selbst – soweit wie möglich – als übergreifend steuernde und strategische Instanz etwas im Hintergrund zu bleiben. Das motiviert Ihre Mitarbeiter und gibt Ihnen die Möglichkeit einigermaßen auszuleben, dass Beruf nicht ALLES ist, sondern ein Teil des Lebens, den es weder über- noch unterzubewerten gilt. Das LEBEN findet nämlich nicht wirklich in der Firma statt, sondern zu Hause mit der Familie. Das in der Waage zu halten ist nicht einfach, aber Ihr Weg zeigt, dass es möglich ist. Herzlichen Glückwunsch dazu!